Eike Elser

Ein Schritt

Dieses Interview ist erstmals im DER KNAUSERER, die 1. Online-Zeitung fuer Sparsame, Ausgabe 01/2008 erschienen.

Anfang 2007 hat Eike (wohnhaft tief im hohen Norden Deutschlands) seinen 40-Stundenjob an den Nagel gehängt, um fortan sich so weit es geht selbst zu versorgen.

Du hast 2007 etwas in Angriff genommen, von dem viele von uns träumen. Du hast deinen zivilen Beruf in der Softwarebranche aufgegeben und hast dafür ein Leben als Selbstversorger gewählt. Wie geht es dir heute nach einem guten Jahr als Aussteiger? Wie sieht dein neues Idyll denn konkret aus?
Ich bin mir immer noch nicht so sicher, wie das ganze mit dem „an den Nagel hängen“ gelaufen ist. Ich habe irgendwann angefangen die ganze Geschichte der nicht-selbstständigen Arbeit sehr kritisch zu betrachten. Was folgte war nur konsequent: ich habe die Nagelprobe gemacht und festgestellt, dass auf meinen damaligen Arbeitgeber kein Verlass ist.

Irgendwann kam der Zeitpunkt an dem mir klar wurde, dass ich mich selbst ermächtigen muss, um nicht irgendwann einmal das nachsehen zu haben. Meine Neugier hat dann das übrige ergeben. Ich betrachte mich ehrlich gesagt nicht als Aussteiger. Noch immer lebe ich in einem Dorf eingebunden in die sozialen Strukturen dort, fahre Auto und kaufe auch im Supermarkt ein.

Nur habe ich geistig der Gesellschaft wie sie sich derzeit darstellt den Rücken gekehrt und bin dabei meine eigene Vorstellungen stückweise umzusetzen. Es mag daran liegen, das die Ausgangsposition mit 3 Kindern Verbindlichkeiten wegen unseres Hauses zu dieser „moderaten“ Form des Aussteigens geführt hat. Ich denke auch es ist ein evolutionärer Weg – also nicht mit Pauken und Trompeten loslegen, sondern sinnvoll und schrittweise umzudenken und dann folgerichtig zu handeln. Uns allen geht es sehr gut, wenngleich ich noch viel zu ungeduldig bin und manches gern schon erledigt und umgesetzt hätte.

Unser Idyll ist ein alter Nebenerwerbs-Resthof mitten in einem Ort von gut 3000 Einwohnern – zentral gelegen. Die zentrale Lage ist für die Versorgung Kindergarten, Schule usw. ganz toll, für die Entfaltung als Selbstversorger nicht so geeignet. Immerhin haben wir angefangen Kaninchen, Hühner und Bienen zu halten. Mehr wird wohl am Ort nicht möglich sein. Der Garten ( ca 1000 nutzbare qm) wird schrittweise in einen Selbstversorgergarten in Anlehnung an die Permakultur umgestaltet. Ansonsten beabsichtige eine Regenwassernutzung in der alten Jauchegrube unter dem Stallbereich zu installieren und einen Teil der Dachfläche für Solarkollektoren im Selbstbau zu nutzen.

Wie lange hat dich die Idee vom Ausstieg schon bewegt? Oder war es eher eine spontane Geschichte?
Wenn ich recht überlege, bewegt mich dieses Thema schon mein Leben lang. Als Kind malte ich Wohnhöhlensystem, als junger Erwachsenes las ich mit Begeisterung „Altbewährtes neu entdeckt“ und hatte wohl immer der Traum einmal vieles selbst machen zu können und auch zu machen. Ich denke, das war immer eine unbewusste Geschichte und rückblickend hat mich mein Unterbewusstsein massiv in die nun eingeschlagene Richtung gedrängt.

Was war dein finaler Beweggrund den Sprung ins kalte Wasser zu wagen?
Wie schon oben gesagt, habe ich gemerkt, dass das System abhängiger Beschäftigung und Lebensunterhalt nur über den Umweg Geld für mich nicht sinnvoll ist. Als ich mir dann Gedanken darüber machte wie es in vielleicht 10 oder 20 Jahren aussieht, habe ich mich entschlossen, Fertigkeiten zu erarbeiten, um auch in Zukunft handlungsfähig zu bleiben. Startschuss waren dann Tendenzen meines Arbeitgeber mich „outzusourcen“.

Was war für dich bei der Umsetzung überraschend schwierig und was ist dir wieder Erwarten leicht von der Hand gegangen?
Es gibt eine Reihe von Schwierigkeiten, die damit zu tun haben dass ich im Prinzip alles erforderlich neu lernen muss und oft nur mit „Versuch und Irrtum“ weiterkomme. Des weiteren merke ich, dass unsere Gesellschaft nicht auf
Selbermacher/Selbstversorger eingerichtet ist – eine Entwicklung, die noch nicht einmal zwei Generationen alt ist, denn unsere Großeltern waren da noch viel selbstständiger.

Weiterhin ist das leidige Geld ein Dauerthema, alles muss irgendwie bezahlt werden und so müssen wie zweigleisig fahren um das notwendige Einkommen zu haben. Meine größte Schwierigkeit ist tatsächlich die Ungeduld, besser – das Umgehen mit dieser Ungeduld.

Ist es so geworden, wie du erwartet hast oder besser oder schlechter?
Ich glaube, ich habe nichts erwartet, sondern einfach das getan, was ich schon immer wollte – manches stelle ich fest, fügt sich einfach wunderbar zueinander, so dass ich an unerwarteten Stellen immer wieder Anschub erfahre.

Wie hat deine Umwelt auf diesen Schritt reagiert?
Da meine Frau auf eigenen Wunsch hin arbeiten geht und ich zuhause bin, reagiert die konservative Umwelt mit Verwirrung. Unser Aktivitäten werden recht kritisch beäugt, denn hier ist immer eine Baustelle und kein herausge-
putzter Vorgarten. Ansonsten nehmen aber viele das sehr interessiert zur Kenntnis, die Alten um uns herum erinnern sich an früher.

Kannst du Aussteigen nach wie vor als „Traum“ bezeichnen?
Ich weiß nicht, ob es ein Traum war oder ist. Ich empfinde es als meinen Weg und das Gefühl diesem Weg nun zu folgen, begeistert mich schon – leider hänge ich natürlich immer noch alten Bewertungsmustern nach, so dass ich manchmal vergesse, warum ich es mache. Sobald ich das aber wieder vor Augen habe, bin ich tief glücklich.

Wie sieht dein weiterer Schlachtplan für 2008 aus?
Ich möchte meine angefangenen Vorhaben weiterführen, mit Schwerpunkt auf der Gartenumgestaltung und dem Ausbau meiner Imkerei. Weiterhin mache ich mich selbstständig, um eine Teil meiner Erfahrungen in Seminaren weiter zu geben.

Gibt es Quellen oder Vorbildern aus denen du geschöpft hast? Was war für die wichtigste Erkenntnis/Aussage?
Natürlich. Wie schon gesagt hat mich das Buch „Altbewährtes neu entdeckt“ fasziniert. Dan kam irgendwann John Seymours „Leben auf dem Lande“ (auch hier besprochen, Anm. d. R.). Danach habe ich begonnen Informationen zum Thema zu sammeln und bin so auf Gerhard Schönauer (sein Buch „Aussteigen – aber wie?“ ist hier besprochen, Anm.d.R.) und die Bücher von Helen und Scott Nearing gestoßen. Alle diese Bücher haben viel zu meinen Gedanken beigetragen. Im Internet war es die Seite http://www.praxilogie.de, die einen tiefen Eindruck hinterlassen hat, indem sie mir für mich Frage aufwarf: „Was machen wir hier eigentlich?“

Die wichtigste Erkenntnis und gleichzeitig mein größtes mentales Problem war und ist, dass in diesen Aussteiger-Geschichten Familien mit Kindern nicht vorkommen oder es zu einer Trennung wie bei John Seymour führt. Das wirft für mich die Frage auf, ob das Ganze auch für Familien praktikabel ist. Ich sehe jetzt, das es geht, aber dann nicht so „schulmässig“ und langsamer abläuft. Der Schritt zum Selbstversorger, da ausstiegen ist für mich heute eine evolutionäre Angelegenheit.

So wie wir über Jahre verlernt haben ein richtiges Leben zu führen, brauchen wir eine gemessene Zeit, um das wieder zu lernen. Aussteigen ist eine Kultur des Hinterfragens, des In-Frage-Stellens all der Dinge, die wir für wichtig erachten. Wenn jeder nur ein Stück dieser scheinbaren Notwendigkeiten aufgäbe, wäre viel geschafft. Vielleicht ist das eine andere, ein „neue“ Art zur Selbstversorgung zu kommen.